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Die Rolle frühkindlicher kultureller Bildung in Krisenzeiten

Kita und Schule als Lebens- und Lernort
Farben und Pinsel

© DKJS/ Andi Weiland


Welche Rolle spielt frühkindliche kulturelle Bildung in Kriegs- und Krisenzeiten? Wie können junge Kinder gestärkt werden? Im Interview spricht Cordula Klaffs, Sozial- und Traumapädagogin sowie Kinder- und Jugendtherapeutin, über diese Themen. Sie arbeitet in einer Erziehungs- und Beratungsstelle in Berlin – vornehmlich mit geflüchteten Kindern. Im Sommer war sie bei der Veranstaltungsreihe Kultur-Tee des Netzwerks Frühkindliche Kulturelle Bildung, dessen Trägerin die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ist, zu Gast.

Krieg und Krisen prägen unsere Zeit, die Nachrichten und unsere (privaten) Gespräche. Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine sind omnipräsent. Was kommt davon bei jungen Kindern an? 

Cordula Klaffs: Wir, Eltern und erwachsene Bezugspersonen, „lesen“ unsere Kinder und unsere Kinder lesen uns. Wenn ein kleines Kind hinfällt, dann guckt es häufig zuerst erschrocken zu seinen Eltern: wie reagieren sie? Daraufhin passt es häufig seine Reaktion an.

Sehr viele Informationen bekommen wir hierbei aus der Mimik, der Gestik, dem Klang und der Farbe der Stimme und von dem, was wir bei unserem Gegenüber spüren. Und diesen von uns intuitiv und authentisch erfühlten Informationen trauen wir auch mehr als dem gesprochenen Wort, das im Vergleich dazu für die richtige Einschätzung einer Situation weniger wichtig ist.

Junge Kinder folgen aus sich heraus und unaufhaltsam ihrem ganz eigenen Entwicklungsprogramm und für die Bewältigung dieser Entwicklungsaufgaben braucht es bestimmte Gelingensbedingungen. In unseren frühen Monaten und Jahren, ist die wichtigste das Vorhandensein mindestens einer verlässlichen Bindungsperson, die uns liebevoll zugewandt ist. Durch diese uns beschützende und haltgebende Beziehung, lernen wir, dass wir in diesem, unserem Leben gut aufgehoben sind. Ist aber die Bezugsperson selbst beunruhigt, nervös, belastet und in Angst und Sorge, dann fühlen die Kinder, dass das Leben offensichtlich gefährlich ist, etwas, was nur mit Schwierigkeiten zu bewältigen ist und wovor man besser immer wieder mal Angst haben sollte. Das heißt, es stellt sich bei Kindern, die bei dauerhaft belasteten Eltern aufwachsen, ganz subtil ein unsicheres Lebens-Grundgefühl ein. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir Erwachsenen gut für uns sorgen, wenn wir solch eine Dauerbelastung spüren.

Wie kann ein Gespräch mit jungen Kindern über Krieg und Krise gelingen? Was geben Sie erwachsenen Begleitungen mit auf den Weg, auf was sollten wir im Gespräch mit jungen Kindern achten?

Cordula Klaffs: Krieg ist Teil unserer Welt. Als Kinder lernen und erfahren wir - dass unser Leben bedroht ist. Wir erleben, erfahren und erkennen, dass es Krankheit, Schmerz, Armut, Verlassenwerden, Einsamkeit, Ausgeschlossensein und Leid gibt. Dieses Erkennen verunsichert und macht uns Angst. Es ist die sehr wichtige Entwicklungsaufgabe, dieses Wissen in unser Leben aufzunehmen und uns dennoch im Leben aufgehoben zu fühlen. Und genau diese Aufgabe haben wir auch als Erwachsene noch in gleichem Maße. Vielleicht sind wir uns unserer selbst bewusst und haben ein Gefühl für unsere eigene Stärke, für unsere Haltungen und Überzeugungen, unser Glaubenssystem und unsere Werte. Vielleicht spüren wir, dass wir nicht ausgeliefert sind, sondern dass wir etwas tun können, um dieser Situation aktiv zu begegnen. An den Antworten, die wir hier an dieser Stelle für uns selbst finden, sollten wir unbedingt unsere Kinder teilhaben lassen.

Und vielleicht möchte ich Ihre Frage so beantworten: Krieg und Schmerz dürfen, sollen und müssen benannt werden. Wir können Kinder vor der Existenz der Krisen und des Krieges nicht bewahren. Der wichtige Teil des Gesprächs mit jungen Kindern darüber, ist der Teil, wo ich sie an meinen Ressourcen teilhaben lasse, wo ich ihnen in dieser Welt trotz Krieg und Krisen Sicherheit, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit vermittle.

Aus ihrer Perspektive als Traumapädagogin: welche Relevanz, haben ästhetisch-kulturelle Angebote und Erfahrungsräume für Kinder in Krisenzeiten? Welche Impulse können von der frühkindlichen kulturellen Bildung ausgehen, um junge Kinder zu stärken? 

Cordula Klaffs: Kinder sind in allem, was sie tun kreativ. Sie sind einfallsreich in ihrer Körpersprache, fantasievoll in ihrer Sprache, und schöpferisch und ideenreich in ihrem Spiel. Kinder drücken sich aus. Wenn wir ihnen für dieses Potential, das sie ohnehin in sich tragen, weitere Angebote machen, werden unsere Kinder diese Angebote vermutlich auch nutzen. Vielleicht sogar so, wie wir Erwachsenen es „vorgesehen haben“, vielleicht aber auch anders: So kann man mit Stiften und Papier etwas malen oder man kann aus Stiften und Papier auch etwas bauen. 

Kinder lernen angeleitet und intuitiv. Angeleitet lernen sie, wenn wir mit ihnen etwas zusammen machen, wenn wir ihnen etwas Bestimmtes beibringen wollen: zum Beispiel einen Kuchen zu backen. Intuitiv lernen sie, indem sie uns Eltern und Fachkräfte beobachten. Was machen wir in der gemeinsamen Zeit mit Kindern? Erleben uns Kinder zum Beispiel beim Zeichnen, beim Malen, Musizieren, Lesen, Fotografieren, sehen sie uns etwas sammeln, sticken. Nutzen wir gemeinsam mit den Kindern die möglichen Angebote unserer Umgebung? Gehen wir in Museen, Kirchen, zu Ausstellungen, zu Konzerten, ins Theater, oder in ein Bauwerk. Und: haben wir vor allen Dingen selbst echte Freude daran, das zu tun? All diese immer wieder bei den Eltern und anderen Bezugspersonen beobachteten Verhaltensweisen erweitern den eigenen Horizont und schaffen neue Handlungsmöglichkeiten.

Welche Bedeutung und Relevanz hat ein solches Erleben? Kultur ist ein kreativer Ausdruck von Menschen, häufig erschaffen für andere Menschen. Es ist eine Möglichkeit, äußere oder innere Anforderung zu beantworten. Wenn wir selbst etwas Kreatives erschaffen, sind wir häufig -zurecht- sehr stolz auf uns und das, was wir gemacht haben. Denn wir haben etwas erschaffen, das es vorher noch nicht gab. Wenn wir uns mit den kreativen Äußerungen anderer Menschen beschäftigen, dann löst dies meist Gefühle in uns aus. Das heißt Kunst und Kultur sind zutiefst menschlich und es ist ein ganz gewöhnlicher Vorgang sich kreativ zu äußern oder sich mit den kreativen Äußerungen anderer auseinanderzusetzen. Dabei lernen wir sehr viel: eine andere Perspektive, ein für uns selbst ungewöhnliches Denken, ein neues Herangehen und wir machen eine sehr konkrete Erfahrung.

Sich selbst künstlerisch zu äußern und neugierig auf künstlerische Äußerungen anderer zu treffen ist gleichzeitig sehr gewöhnlich und so relevant, wie ein- und ausatmen. Sehen Sie sich um, wo Sie gerade sitzen: alles was Sie an Dingen umgibt haben Menschen kreiert, erdacht und hergestellt: jede Tasse, jeden Stuhl, jedes Ding, jeder Bodenbelag, jedes Haus. Es ist also sehr relevant. Ich könnte auch sagen: es geht nicht ohne Kunst und Kultur.

Über das Netzwerk Frühkindliche Kulturelle Bildung

Das Netzwerk Frühkindliche Kulturelle Bildung richtet sich an engagierte Vertreter:innen aus Kunst, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Politik sowie öffentliche und private Förderer. Das bundesweite Netzwerk will den interdisziplinären Diskurs befördern, Kompetenzen bündeln sowie notwendige Veränderungen auf politischer, struktureller und fachlicher Ebene anstoßen. Es lebt von der Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Akteure und steht weiteren Partner:innen stets zur Mitarbeit offen.

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