Manege frei für Akrobatik, Bastelei, Seiltanz und Requisitenbau!
Projekt
© Sandra Wildemann / DKJS
Manege frei für Akrobatik, Bastelei, Seiltanz und Requisitenbau!
Draußen fegte einer der ersten, heftigeren Herbststürme die Blätter durcheinander – drinnen herrschte konzentrierte Arbeitsatmosphäre. „Das ist so ein typischer Tag 4“, sagt Zirkuspädagogin Nele Fliegner fasziniert. „Am ersten Tag kommen die Kinder an, sie orientieren sich, es zieht sie zu bestimmten Angeboten hin. Dann fangen wir an, auszuprobieren. Die Teilnehmenden steuern alle etwas ganz Individuelles bei, was sich dann sortiert und zu einem Mosaik von Fähigkeiten und Neigungen fügt. Und an Tag 4, also kurz vor dem großen Abschluss – hier ist das die Zirkusshow – sind dann alle fokussiert, haben ihren Platz gefunden und arbeiten total konzentriert an ihrer Zirkusnummer.”
© Sebastian Bolesch / DKJS
Wer durch die verschiedenen Räume des Vereins INWOLE in Potsdam-Babelsberg geht, ist Zeug:in einer echten „Zusammenarbeit“ auf Augenhöhe. Zwanzig Mädchen und Jungen zwischen 7 und 12 Jahren, die hier beim Zirkuscamp dabei sein konnten, haben in den vier vergangenen Tagen ihre ganz eigene Zirkusshow geplant, ausgestattet, geprobt und am Freitag, dem letzten Ferientag in Brandenburg, dann aufgeführt. In der Holzwerkstatt wurden eigenhändig „Rollbretter“ gesägt, geleimt und mit bunter Sprühfarbe individuell gestaltet. Die Werkstatt ist mit allem ausgestattet, was man zum Bau der Geräte für die „Wellenrutscher“-Zirkusnummer braucht. Und Platz, um die fertiggestellten Geräte auszuprobieren, ist hier sogar auch noch. Wenn es nicht rund läuft, muss vielleicht noch etwas gefeilt werden, bevor dann draußen unterm Schuppendach jedes Brett zu einem kleinen Graffity-Kunstwerk wird.
© Sebastian Bolesch / DKJS
Eine Etage höher werden bunte Requisiten gefertigt. Mit Luftballons bezogene Jonglierbälle – zur Hälfte mit Reis, zur Hälfte mit Stoff befüllt: nur so sind die bunten Bälle am Ende perfekt ausbalanciert! Flower-Sticks für effektvolle Stabjonglage, neonfarbig beklebte Houla-Houp-Reifen in allen Größen und unterschiedlichsten Gewichtsklassen. Die Arbeit geht leicht von der Hand, nebenbei finden Tierraterunden statt: “Es gibt sie in groß und klein.” Ganz klar, dass das ein Klapperdino sein muss. Sind das eigentlich Fleischfresser? Und: Gehört der Tyrannosaurus auch zur Gattung der Klapperdinos? - Große und kleine Campmitglieder haben eines sicher: Spaß bei der Arbeit!
© Sandra Wildemann / DKJS
Zurück im Erdgeschoss darf man Zeug:in des letzten Schliffs sein: Drei Akrobat:innen perfektionieren den Seiltanz mit Reifen. Immer ein Kind betritt das Seil, hält jeweils einen großen Reifen in jeder Hand und wird dabei von zwei Teammitgliedern „geleitet“. Helfende Hände unter den Reifen stützen nur dann ganz leicht, wenn es nötig wird und das Gewicht sich zu stark zu einer Seite verlagert. Im Prinzip klappt der Seiltanz aber ganz ohne Hilfe. Die „Begleitung“ steht zur Seite. Ein schönes Gefühl, das jeder im Team gern erfährt.
Und so stehen alle von Beginn an immer abwechselnd auf dem Seil und assistierend zur Seite – ein sehr wichtiger Aspekt bei der zirkuspädagogischen Arbeit. Alle können alles machen. Es stärkt das Selbstbewusstsein, wenn man auf dem Seil steht, gibt aber ebenso Kraft, wenn man anderen dazu verhilft, Unsicherheiten zu überwinden und Unterstützung zu erfahren.
Das hier ist ein Raum, in dem sich Kinder und Jugendliche ausprobieren können. Es ist „Frei-Raum“, der besonders jetzt, nach Corona, nötiger ist, als je zuvor.
Holger Zschoge, ehrenamtlicher Leiter des Vereins
Holger Zschoge, Lehrer und ehrenamtlicher Mitarbeiter des Vereins INWOLE, bringt auf den Punkt, was einem beim Besuch des Camps ganz wunderbar vor Augen geführt wird: „Das hier ist ein Raum, in dem sich Kinder und Jugendliche ausprobieren können. Es ist „Frei-Raum“, der besonders jetzt, nach Corona, nötiger ist, als je zuvor. Wenn Corona ein Gutes hat, dann ist das vielleicht die Tatsache, dass das individuelle Lernen mit Hand und Herz, mit allen Sinnen, mit Platz zum Ausprobieren von eigenen Ideen jetzt endlich einmal die Wertschätzung erfährt, die ihm eigentlich zusteht.“
© Sebastian Bolesch / DKJS
Alles, was in den Häusern und auf der Wiese des schönen Vereinsgrundstücks am Potsdamer Griebnitzsee in diesen fünf Tagen Zirkuscamp passiert ist, wurde von den Kindern selbst entschieden. Die Fachanleiter:innen standen unterstützend zur Seite und haben Hilfestellungen gegeben. Aber die Schritte von der ersten Idee bis zur Aufführung haben die Kinder selbst getan. Nach diesem Prinzip und mit der Förderung aus dem Zukunftsfonds wird es bei INWOLE in diesem Jahr noch weitere Projekte geben, wo dann wiederum Jugendliche das Haus an der Rudolf-Breitscheid-Str. mit Leben füllen werden. Fast autark und geleitet von Themen, die sie bestimmen. Dass es sich dabei um ein Geschichtsprojekt zum Thema“ 150 Jahre Pariser Kommune” handelt, mag zunächst überraschen, macht aber auch deutlich: Das Potenzial ist riesig. Endlich gibt es wieder Raum zur Entfaltung und zum AUF!leben.
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